Fachtagung 2022: „Gewalt erleiden, überleben, verarbeiten“ – 35 Jahre Antifolterkonvention der Vereinten Nationen
Am Freitag, den 24. Juni 2022 versammelten sich an die 60 Fachleute zu einer Tagung im Landeshaus in Kiel zum Thema „Gewalt erleiden, überleben, verarbeiten“. Eingeladen hatten der Zuwanderungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, der Paritätische Landesverband Schleswig-Holstein, der Verband der psychosozialen Zentren „Die Brücke“ in Schleswig-Holstein und die Refugio Stiftung Schleswig-Holstein aus Anlass des internationalen Tages gegen Folter, den die Vereinten Nationen jährlich am 26. Juni ausrufen.
Die beiden Moderatorinnen, Jasmin Azazmah und Olga Pavlovych begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und führten dezent und souverän durch das Programm. Die junge Pianistin Sofia Semenina (Musikhochschule Lübeck) umrahmte die Wortbeiträge mit Sonaten von Brahms, Bruckner und Mozart. In ihren Grußworten sprachen Stefan Schmidt als Landesbeauftragter und Schirmherr der Fachtagung und Harald Möller im Namen der Veranstalter die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine an.
Stefan Schmidt hob die Dringlichkeit seiner Funktion seit 2015 hervor und skizzierte mit einigen Stichworten die Anforderungen an die neue Landesregierung. Er warnte vor einer Ungleichbehandlung aufgrund von Vorurteilen im Sinne von Geflüchteten 1. und 2. Klasse. Harald Möller betonte die Herausforderungen an die immer noch unsicher finanzierte Beratungsarbeit und die hohe Kompetenz der Mitarbeitenden. Zuvor hatte Ingrid Neitzel, Vorsitzende der Refugio Stiftung, in einem persönlichen Grußwort auf die insgesamt positive Entwicklung in der Asyl- und Geflüchtetenarbeit in Schleswig-Holstein hingewiesen. Es seien auch die hier anwesenden Personen, die diese Entwicklung angestoßen haben und heute weiter tragen.
Im ersten Hauptreferat sprach Fanny Dethloff, Pastorin und ehemalige Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, die Zeugenschaft an. Es sei nicht möglich, alle Menschen vor Folter, Krieg und Terror zu bewahren oder ihnen bei der Bewältigung zu helfen. Dann aber sei „Zeugin sein“ eine ebenso wichtige Aufgabe. Dazu gehöre auch das Aushalten von Schmerz und die Erkenntnis der eigenen Verstrickung, wie sie es bei der südafrikanischen Bewegung „Healing of Memories“ (https://healing-memories.org/) gelernt habe. Diese inzwischen multinationale Initiative des anglikanischen Priesters Michael Lapsley, der selber durch eine Briefbombe beide Hände verlor, bildet sogenannte „Familiengruppen“ als niedrigschwellige Psychoedukation von Opfern und Tätern von Gewalt und Terror. Diese Erzählgemeinschaften bieten sichere Räume, die zur Aufarbeitung und Heilung helfen. Das sei auch bei uns notwendig: so etwas wie angeleitete Selbsthilfegruppen, die eine solidarische Gemeinschaft auf Zeit bildeten, meinte die Referentin.
Im zweiten Hauptreferat zeichnete Dr. David Keller, Leiter der Fachstelle für besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Berliner „Zentrum Überleben“, die Entstehung der gegenwärtigen Versorgungslandschaft für diese Gruppe von Geflüchteten nach. Von einem Behandlungszentrum für Folteropfer im Jahr 1992 entwickelten die engagierten Mitarbeiter*innen eine Versorgungsstruktur mit einer Tagesklinik in der Schlossparkklinik Charlottenburg und mit der Gründung einer Berufsfachschule schließlich das heutige „Zentrum Überleben“. Das Zentrum ist Träger einer Vielzahl von Angeboten und Einrichtungen für Geflüchtete, wie zum Beispiel ein Wohnverbund für Migrantinnen, eine Abteilung für Kinder und Jugendliche oder die Fachstelle für traumatisierte Geflüchtete.
Um die EU-Aufnahmerichtlinie umzusetzen und die Lebensbedingungen für Geflüchtete in Berlin allgemein zu verbessern, arbeitete das Zentrum mit weiteren Nichtregierungsorganisationen zusammen, und diese gründeten 2008 das BNS, das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen. Belastet durch im Fluchtverlauf aufeinander folgende Traumatisierungen kommen bei den Klienten und Klientinnen des Netzwerkes und speziell der Fachstelle verschiedene Verletzungen und Schutzbedürfnisse zusammen, sodass der Informations-, Diagnostik- und Behandlungsbedarf in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.
Im Anschluss an die Referate gab es lebhafte Diskussionen, in denen das Auditorium nach Wegen suchte, die gehörten Impulse in die eigene berufliche Praxis oder auf die kommunalen oder landesweiten Strukturen zu übertragen. Die Fachtagung endete mit einem Dank an alle Teilnehmenden und Mitwirkenden und einem stärkenden Imbiss aus der Küche des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Beim Abschied wurde mehrfach der Wunsch geäußert, im nächsten Jahr wiederzukommen.















Grußworte und Folien finden Sie zum Download unter folgenden Links
- Grußworte und Dokumetation der Fachtagung
- Referat Fanny Dethloff, Preetz
- Referat Dr. David Keller, Berlin
- Einladungsflyer
Fachtagung 2021 „Wegsehen als Programm?“ – Antifoltertag der Vereinten Nationen 25.6.2021

Am 25. Juni 2021 veranstalteten das Migrationsreferat des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und das Psychosoziale Zentrum „Die Brücke“ in Schleswig-Holstein eine Online-Fachtagung unter der Schrimherrschaft des Landesbeauftragen für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen und gefördert von der Refugio Stiftung Schleswig-Holstein anlässlich des 34. Jahrestages der Antifolter-Konvention der Vereinten Nationen am 26. Juni 2021. Die Veranstaltung zeigte die große Kluft zwischen dem Anspruch der Antifolter-Konvention der Vereinten Nationen – einschließlich ihrer nachfolgenden Dokumente – und der Wirklichkeit zum Beispiel an den europäischen Außengrenzen, eine Kluft, die bis in die tägliche Arbeit in Schleswig-Holstein hineinreicht.
Hier finden Sie die Dokumente und Folien der Fachtagung zum Download: