Fachtagungen

Fachtagung 2023: „Wie traumatisierte Geflüchtete Unterstützung in Behörden finden.“ Internationaler Gedenktag an die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen am 23.6.2023

An die 70 Fachkräfte aus Beratung, Therapie, Verwaltung und Politik waren am 23. Juni 2023 der Einladung des Beauftragen für Migration, Asyl und Zuwanderung des Landes Schleswig-Holstein, dem Referat „Migration und Flucht“ des Paritätischen Landesverbandes Schleswig-Holstein, des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein und der Refugio Stiftung Schleswig-Holstein ins Landeshaus in Kiel gefolgt, um ihre Erfahrungen mit traumatisierten Überlebenden von Folter, Krieg und Terror auszutauschen und zu diskutieren.

Nach den Grußworten des Landesbeauftragten und Schirmherrn der Tagung, Stefan Schmidt, und der Vorstandsvorsitzenden der Refugio Stiftung, Frau Dr. Jasmin Röhl-Azazmah, führte die Leiterin des Ambulanzzentrums im Zentrum für integrative Psychiatrie der Universitätsklinik in Kiel (ZIP), Frau Dr. Silja Knolle-Veentjer, mit einem informativen und anschaulichen Vortrag in die Thematik ein. Neben den hirnphysiologischen Vorgängen einer Traumatisierung, also einer Bedrohung, Gefahr oder Verzweiflung, die die Verarbeitungsmöglichkeiten einer Person überfordern, erläuterte sie ausführlich die daraus erwachsenden Folgeprobleme und -belastungen. Es verbleiben lebenslange (seelische) Narben und Verletzlichkeiten, die die sozialen Beziehungen, die Alltagsfunktionen und die berufliche Situation erheblich beeinträchtigen können. Unbewusst und unbehandelt können diese Narben plötzlich aufbrechen und zu einem sich selbst und andere verletzenden Verhalten führen, auch in Behörden zum Beispiel durch ein Missverständnis oder eine subjektiv empfundene Ungerechtigkeit. In der Institutsambulanz arbeitet das therapeutische Team an der Resilienz der betroffenen Personen – das heißt daran, eine Widerstandsfähigkeit zu entwickeln, die Funktionstüchtigkeit zu verbessern und sich von den traumatischen Erfahrungen zu erholen.
Anschließend lud der Moderator Anton Mikoleit (minc) alle Teilnehmenden zu einer Zeitreise in das Jahr 2027 ein. Im Stile des sogenannten „World-Café“ durften an vorbereiteten Tischen zum Thema „Wir sind im Jahr 2027. Bis zum Ende der Legislaturperiode wurde die Zuwanderungsverwaltung in Schleswig-Holstein erfolgreich modernisiert. Welche Merkmale hat sie, von der traumatisierte Geflüchtete profitieren?“ Ideen diskutiert und gesammelt werden. Eine abschließende Expertenrunde (Frau Dr. Knolle-Veentjer, Chris Reinert von der Stadtverwaltung Kiel, Axel Meixner, Jurist beim Flüchtlingsrat, und Frau Dittman-Weihs, Sozialarbeiterin der Traumaambulanz des ZIP) kommentierte die kreativen Ergebnisse der Tischrunden. Zum Abschluss bedankten sich der Moderator und Jasmin Azazmah bei den Gästen für die Teilnahme und zukunftsorientierte Mitarbeit. Und Saad Alsayed, der die Fachtagung musikalisch begleitete, zauberte noch paar wunderbare Klänge aus seiner Hand-Pan.

Hier finden Sie die Dokumentation der Fachtagung als Broschüre zum Download. Nach der Fotogalerie finden Sie die Videodokumentation!

Die Fachtagung wurde vom Offenen Kanal Schleswig-Holstein (OKSH) aufgezeichnet. Die Video-Dokumentation können Sie in 5 Teilen über die Links zum OKSH anschauen und downloaden:


Fachtagung 2022: „Gewalt erleiden, überleben, verarbeiten“ – 35 Jahre Antifolterkonvention der Vereinten Nationen

Am Freitag, den 24. Juni 2022 versammelten sich an die 60 Fachleute zu einer Tagung im Landeshaus in Kiel zum Thema „Gewalt erleiden, überleben, verarbeiten“. Eingeladen hatten der Zuwanderungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, der Paritätische Landesverband Schleswig-Holstein, der Verband der psychosozialen Zentren „Die Brücke“ in Schleswig-Holstein und die Refugio Stiftung Schleswig-Holstein aus Anlass des internationalen Tages gegen Folter, den die Vereinten Nationen jährlich am 26. Juni ausrufen.
Die beiden Moderatorinnen, Jasmin Azazmah und Olga Pavlovych begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und führten dezent und souverän durch das Programm. Die junge Pianistin Sofia Semenina (Musikhochschule Lübeck) umrahmte die Wortbeiträge mit Sonaten von Brahms, Bruckner und Mozart. In ihren Grußworten sprachen Stefan Schmidt als Landesbeauftragter und Schirmherr der Fachtagung und Harald Möller im Namen der Veranstalter die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine an.

Stefan Schmidt hob die Dringlichkeit seiner Funktion seit 2015 hervor und skizzierte mit einigen Stichworten die Anforderungen an die neue Landesregierung. Er warnte vor einer Ungleichbehandlung aufgrund von Vorurteilen im Sinne von Geflüchteten 1. und 2. Klasse. Harald Möller betonte die Herausforderungen an die immer noch unsicher finanzierte Beratungsarbeit und die hohe Kompetenz der Mitarbeitenden. Zuvor hatte Ingrid Neitzel, Vorsitzende der Refugio Stiftung, in einem persönlichen Grußwort auf die insgesamt positive Entwicklung in der Asyl- und Geflüchtetenarbeit in Schleswig-Holstein hingewiesen. Es seien auch die hier anwesenden Personen, die diese Entwicklung angestoßen haben und heute weiter tragen.

Im ersten Hauptreferat sprach Fanny Dethloff, Pastorin und ehemalige Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, die Zeugenschaft an. Es sei nicht möglich, alle Menschen vor Folter, Krieg und Terror zu bewahren oder ihnen bei der Bewältigung zu helfen. Dann aber sei „Zeugin sein“ eine ebenso wichtige Aufgabe. Dazu gehöre auch das Aushalten von Schmerz und die Erkenntnis der eigenen Verstrickung, wie sie es bei der südafrikanischen Bewegung „Healing of Memories“ (https://healing-memories.org/) gelernt habe. Diese inzwischen multinationale Initiative des anglikanischen Priesters Michael Lapsley, der selber durch eine Briefbombe beide Hände verlor, bildet sogenannte „Familiengruppen“ als niedrigschwellige Psychoedukation von Opfern und Tätern von Gewalt und Terror. Diese Erzählgemeinschaften bieten sichere Räume, die zur Aufarbeitung und Heilung helfen. Das sei auch bei uns notwendig: so etwas wie angeleitete Selbsthilfegruppen, die eine solidarische Gemeinschaft auf Zeit bildeten, meinte die Referentin.

Im zweiten Hauptreferat zeichnete Dr. David Keller, Leiter der Fachstelle für besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Berliner „Zentrum Überleben“, die Entstehung der gegenwärtigen Versorgungslandschaft für diese Gruppe von Geflüchteten nach. Von einem Behandlungszentrum für Folteropfer im Jahr 1992 entwickelten die engagierten Mitarbeiter*innen eine Versorgungsstruktur mit einer Tagesklinik in der Schlossparkklinik Charlottenburg und mit der Gründung einer Berufsfachschule schließlich das heutige „Zentrum Überleben“. Das Zentrum ist Träger einer Vielzahl von Angeboten und Einrichtungen für Geflüchtete, wie zum Beispiel ein Wohnverbund für Migrantinnen, eine Abteilung für Kinder und Jugendliche oder die Fachstelle für traumatisierte Geflüchtete.

Um die EU-Aufnahmerichtlinie umzusetzen und die Lebensbedingungen für Geflüchtete in Berlin allgemein zu verbessern, arbeitete das Zentrum mit weiteren Nichtregierungsorganisationen zusammen, und diese gründeten 2008 das BNS, das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen. Belastet durch im Fluchtverlauf aufeinander folgende Traumatisierungen kommen bei den Klienten und Klientinnen des Netzwerkes und speziell der Fachstelle verschiedene Verletzungen und Schutzbedürfnisse zusammen, sodass der Informations-, Diagnostik- und Behandlungsbedarf in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.

Im Anschluss an die Referate gab es lebhafte Diskussionen, in denen das Auditorium nach Wegen suchte, die gehörten Impulse in die eigene berufliche Praxis oder auf die kommunalen oder landesweiten Strukturen zu übertragen. Die Fachtagung endete mit einem Dank an alle Teilnehmenden und Mitwirkenden und einem stärkenden Imbiss aus der Küche des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Beim Abschied wurde mehrfach der Wunsch geäußert, im nächsten Jahr wiederzukommen.

Grußworte und Folien finden Sie zum Download unter folgenden Links


Fachtagung 2021 „Wegsehen als Programm?“ – Antifoltertag der Vereinten Nationen 25.6.2021

Am 25. Juni 2021 veranstalteten das Migrationsreferat des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und das Psychosoziale Zentrum „Die Brücke“ in Schleswig-Holstein eine Online-Fachtagung unter der Schrimherrschaft des Landesbeauftragen für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen und gefördert von der Refugio Stiftung Schleswig-Holstein anlässlich des 34. Jahrestages der Antifolter-Konvention der Vereinten Nationen am 26. Juni 2021. Die Veranstaltung zeigte die große Kluft zwischen dem Anspruch der Antifolter-Konvention der Vereinten Nationen – einschließlich ihrer nachfolgenden Dokumente – und der Wirklichkeit zum Beispiel an den europäischen Außengrenzen, eine Kluft, die bis in die tägliche Arbeit in Schleswig-Holstein hineinreicht.
Hier finden Sie die Dokumente und Folien der Fachtagung zum Download: